Walden Steelstring "WA-450 OM"

 

Tadellos
Walden Steelstring "WA-450 OM"
Von Gregor Hilden

Soll es nun eine Stahlsaitengitarre sein oder eine Klassikgitarre - oder vielleicht doch ein Schlagzeug ...?

Fragen, die sich so mancher Anfänger und Einsteiger in die aktive Musikwelt zu Beginn stellt. Nur eines ist sicher: Der erste Versuch, sich als Musiker zu betätigen, soll nicht viel Geld kosten - wer weiß schließlich, ob man wirklich dabei bleibt. Und als Eltern darf man sich hin und wieder schließlich auch die berechtigte Frage stellen, ob der Sprössling, der soeben den spontanen Wunsch geäußert hatte, gerne einmal eine "echt coole" Gitarre sein Eigen zu nennen, ob dieser Filius nicht nach ein paar Monaten doch wieder der Sony-Playstation den Vorzug gibt ...?
Besorgte Musikschullehrer hatten früher durchaus zu Recht immer wieder darauf hingewiesen, dass gerade zu Beginn des Erlernens ein ordentliches Instrument von besonderer Wichtigkeit ist. "Billig-Schrott" kann gerade bei Anfängern durchaus den Spaß am Üben im Keim ersticken. Mittlerweile hat sich das Fertigungsniveau aber auch in der untersten Preisklasse der in Fernost gebauten Gitarren allerdings auf einem Niveau eingependelt, von dem die verehrten Lehrer etwa in den 70er Jahren nur träumen konnten. Wer heutzutage zunächst einmal mit geringen finanziellen Mitteln die ersten Schritte wagen möchte, kann durchaus sicher gehen, dass er es beim Kauf eines Instruments, das von einem renommierten deutschen Vertrieb - in diesem Fall Musik Meyer - (Ovation, Takamine) in Fernost in Auftrag gegeben wurde, keinesfalls mit einem "Spielverderber" zu tun bekommt.
"Walden" ist das brandneue Produkt des Marburger Importeurs. Eine Gitarrenlinie, die sich in der Optik und Machart an die Instrumente großer amerikanischer Traditionshersteller anlehnt, dabei aber die Kostenreduzierung als wesentlichen Konzeptaspekt betrachtet.

Konzept
Auf den ersten Blick ist sie eigentlich von einer 3000-DM-Gitarre kaum zu unterscheiden! Die Walden WA-450 OM glänzt mit dem gleichen wunderschönen Hochglanzlack einer edlen USA-Schönheit, und auch die originalen, sehr handlichen Korpusmaße der OM ("Orchestra Model") hat man penibel genau nachgearbeitet. Cremefarbene Bindings schmücken die Korpus- und Halsränder, im Innern findet sich ein traditionelles X-Bracing mit einer sich nach außen verjüngenden Beleistung, und die Decke aus Fichte präsentiert sich in wunderschön gleichmäßiger Zeichnung. Beim Korpus- und Deckenholz findet sich allerdings auch der wichtigste Aspekt dieses Instruments: Es ist im Gegensatz zu dem teuren Original nicht massiv. Schreck lass nach - eine gesperrte Decke? Galt bislang durchaus zu Recht die Prämisse, dass zumindest die Decke einer Gitarre massiv sein müsste, so soll bereits an dieser Stelle mit einem Hinweis bezüglich dieses Mythos vorausgegriffen werden: Vor wenigen Jahren demonstrierte Bob Taylor (Taylor Guitars USA), dass er sehr wohl in der Lage ist, eine durchaus vernünftig klingende OM-Steelstring selbst aus billigstem Palettensperrholz zu bauen, womit er selbst Fachleute verblüffen konnte. So sind vor allem die Konstruktion und die Bauweise einer Gitarre im hohen Maße dafür verantwortlich, wie das Geschöpf denn später nun zu klingen vermag. Und dabei hat man sich im Hause Walden (bzw. Musik Meyer bei der Erstellung des Konzepts) alle Mühe gegeben. Die WA-450 OM ist rundum perfekt verarbeitet. Sämtliche Details wie etwa die in das Palisandergriffbrett eingelassenen Bundstäbchen und Positionsmarker, die hochwertigen geschlossenen und verchromten Mechaniken, die massive Palisanderbrücke und die akkurate Bodenfuge zeugen von hochwertiger industrieller Fertigungsqualität.

Bespielbarkeit/Klang
Was ist für einen angehenden Gitarristen mit schmalem Geldbeutel wichtig - das Quäntchen mehr an Ton, das eine massive Decke liefern könnte, oder eine gute Bespielbarkeit des Instruments? Nun, die Antwort auf diese Frage liegt im wahrsten Sinne des Wortes auf der Hand. Zu viele Anfänger wurden früher mit grauenhaft spielbaren Gitarren demotiviert. Und hier kann Walden auch gleich den ersten Trumpf ausspielen: Nicht nur der schlanke Korpus fügt sich willig den Konturen (vor allem auch noch nicht ausgewachsener) Spieler an, auch der ideal geformte Hals mit seinem nicht allzu breiten und dicken, sanft abgerundeten D-Profil lässt sich ergonomisch ideal greifen. Hinzu kommt eine günstig ausgerichtete Saitenlage, die aber trotz ihres flachen Abstandes zum Griffbrett keine Scheppergeräusche bei kräftigem Anschlag verantworten muss. Die Gitarre spielt sich in der gleichen Weise, wie es auch mit einem Instrument möglich ist, das mit einem Vielfachen des Verkaufspreises zu Buche schlägt. Überraschendes lässt sich ebenso über das Klangverhalten der Walden sagen. Mit den werksseitig aufgezogenen hochwertigen Phosphor-Bronce-Saiten der Stärke 0.12 tönt das Instrument angenehm rund und füllig. Akkorde in den ersten Lagen (und hier wird sich der Einsteiger schließlich die ersten Monate am meisten aufhalten) erklingen mit angenehmer Wärme, einer für die Instrumentengröße ausgesprochen großen Lautstärke und einer unaufdringlichen, fast edlen Präsenz. Die Ansprache ist direkt und gut konturiert. Liedbegleitungen mit dem Plektron wie auch Fingergepicktes kommen satt und vollmundig zu Gehör. Die Grenzen der Klangsubstanz dieser Gitarre werden erst dann erreicht, wenn man sich mit kräftigem Anschlag solistischen Improvisationen im höheren Bereich des Halses hingibt. Der Ton kann jetzt nicht mehr im vollen Maße widergegeben werden, wobei fairerweise gesagt werden muss, dass für ein solches Spiel auch eine jahrelang trainierte Spieltechnik erforderlich ist - und damit schließt sich auch der Kreis zu unseren einleitenden Worten und wir kommen zum ...

... Fazit:
Die ersten Anfänge sind immer schwer - und das sind sie ebenso mit einer 10.000-DM-Gitarre wie mit einem Instrument für unter 500,- DM. Die Walden kann jedoch tatsächlich uneingeschränkt demjenigen empfohlen werden, der seine ersten musikalischen Gehversuche starten möchte, ohne sich dabei finanziell gleich stark zu belasten. Die Voraussetzungen, die am Anfang von besonderer Wichtigkeit sind, nämlich eine gute Bespielbarkeit des Instruments und ein Klang, der nicht gleich die Freude an den ersten Akkorden vermiest, sind bei dieser Gitarre in idealer Weise gegeben. Wer bereits über Spielerfahrung verfügt und sich vorgenommen hat, mit einer hochwertigen Gitarre über Jahre hinweg klarzukommen, wird vermutlich bereit sein, auch wesentlich mehr Geld in die Anschaffung zu stecken und sich ein Instrument mit massiven Korpushölzern leisten. Für alle anderen sei die Sorge ausgeräumt, es hier mit einer nur beschränkt einsetzbaren "Billigkopie" zu tun zu haben. Wer sich ein akustisches Bild von dem meines Erachtens wirklich verblüffend guten Ton dieser Gitarre machen möchte, kann sich im Übrigen die Aufnahmen zu diesem Testbericht auf unserer AKUSTIK GITARRE Begleit-CD anhören. Hier sind einige Klangbeispiele mit dem Testinstrument zu hören (selbstverständlich ohne jede weitere Bearbeitung mittels soundbeeinflussender Effektgeräte, lediglich mit etwas Hall versehen).

Den vollständigen Artikel finden Sie in AKUSTIK GITARRE 2/2001